Bildungsreise der SPD nach Buchenwald – Annäherung an einen Verbrechensort 

Wie nähert man sich einem Ort, an dem von 1937 bis 1945 56.000 Menschen in brutaler und bestialischer Weise den Tod fanden? An dem Terror und Willkür herrschten, an dem Menschen zu Wesen zweiter Klasse und angeblich „geringeren Wertes“ definiert und andere zu Monstern herangezüchtet wurden? 15 Sozialdemokraten aus dem Landkreis Gießen unternahmen vom 24. bis 26. März 2023 eine Bildungsreise in die Gedenkstätte Buchenwald und wurden bei dieser dreitägigen Annäherung an einen Verbrechensort deutscher Geschichte von Dr. Helmut Rook, dem ehemaligen pädagogischen Leiter der dortigen Jugendbildungsstätte, und Kristine Tromsdorf, Historikerin aus Langgöns, begleitet. Organisiert wurde die Reise bereits zum zweiten Mal von der Referentin für politische Bildung der SPD Emily Härtel.

In vier Etappen und stets gepaart mit Schilderungen von Einzelschicksalen wurde die Reisegruppe mit der Geschichte und der Funktion des Lagers Buchenwald aus Sicht der Nationalsozialisten und ihrem militärischen Arm, der SS, vertraut gemacht. Stand am Anfang die Ausgrenzung politischer Gegner und die sogenannte Umerziehung durch entwürdigende Schwerstarbeit im Vordergrund, so veränderte sich die Zielsetzung der SS im Hinblick auf die Lagerhäftlinge kurze Zeit später schon in Richtung Kriegswirtschaft und Waffenproduktion – und das unter lebensgefährlichen Umständen für die Häftlinge. Nach dem November-Pogrom 1938 gegen die jüdische Bevölkerung wurden Tausende jüdischer Männer inhaftiert und der Willkür der SS in Buchenwald schutzlos ausgeliefert. Die Repression gegen Homosexuelle, Sinti und Roma, sogenannte Kriminelle und Asoziale brachte viele Menschen aus diesen gesellschaftlichen Gruppen in Lagerhaft. Die Einlieferung war rein willkürlich, es gab keine Gesetzesverstöße oder Verurteilungen, die dem vorausgegangen waren. Die von der SS aufgestellte Lagerordnung folgte dieser perfiden Haltung – es war ein System von Angst und Terror, Rohheit und Verachtung, dem die Häftlinge Tag und Nacht ausgesetzt waren. Rook und Tromsdorf zeichneten am Bahnhof, vor den Gebäuden der Kommandantur, am Eingangstor zum Lager, an einem der Wachtürme, auf dem Appellplatz, im Arrestblock und an den Orten des ehemaligen Häftlingslagers mit Resten der Holz- und Steinbaracken sowie im Krematorium die einzelnen Stationen des Lagers nach – bis hin zum Massensterben 1945 und der Befreiung am 11. April durch US-amerikanische Truppen. Die SPD-Bildungsreise vermittelte tiefe Einblicke in die Entstehung, den Aufbau und die Funktionsweise der NS-Diktatur und in die unbeschreibliche Gewalt, mit der gegen politisch Andersdenkende und willkürlich ausgerufene Minderheiten im Namen der nationalsozialistischen Ideologie vorgegangen wurde. Einer der ehemaligen Häftlinge wurde mit den Worten zitiert: Die ehemaligen SS-Kasernen heute als Jugendbegegnungsstätte in völlig anderem Sinne – nämlich für Aufklärung, Humanismus, Frieden, Freiheit und Solidarität – zu nutzen, sei das Beste, was man mit diesen Gebäuden machen konnte. Tief beeindruckt und bewegt kehrte die SPD-Reisegruppe nach drei Tagen in die hessische Heimat zurück. Sich für Andere einzusetzen, gerade für Schwächere, sich gegen Ausgrenzung, Diffamierung und Hass zu stellen und die Fahne der Demokratie hoch zu halten, dies müsse als Botschaft von Buchenwald in die Welt getragen werden, so die SPD-Gruppe in ihrem Fazit.

„Damit wird mehr als deutlich, wie wichtig die Auseinandersetzung mit dem historischen Ort für unsere Gegenwart ist“, so das Resümee von Kristine Tromsdorf zur Bildungsreise nach Buchenwald.